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Album der Woche: Faber — “Addio”

Der Schweizer Singer-Songwriter Faber ist zurück mit seinem neuen Album “Addio” und präsentiert uns ein musikalisches Drama in vier Akten. Ein persönliche Abrechnung mit inneren Ängsten, Sünden und Liebeskummer, aber auch eine Hommage an seine italienischen Wurzeln.

Zu behaupten, Faber hätte mit seinem neuen Album sich selbst übertroffen, wäre wahrscheinlich immer noch untertrieben. In den letzten fünf Jahren war der Sohn des italienischen Liedermachers Pippo Pollina damit beschäftigt, sich selbst zu finden, erwachsen zu werden und seine Musik reifen zu lassen. Partys, Skandale und Provokationen seiner Sturm und Drang-Phase werden abgelöst durch Selbsterkenntnis und die harte Realität, eingebettet in höchste Poesie, was wir auch schon auf dem 2022 erschienenen Live-Album Orpheum oder der schweizerdeutschen Pandemie-Platte Ich liebe Dich mit Dino Brandão und Sophie Hunger hören konnten. Faber konfrontiert hier Depressionen, Eifersucht und eine Trennung, von denen er sich mit allen Mitteln befreien möchte. Addio ist ein Abschied von den Sünden des Lebens, vergangenen Zeiten und seinem jüngeren Alter Ego, doch auch eine Heimkehr zu seinen Wurzeln.

Der Vorhang fällt, die standardmäßige Ouverture erklingt und leitet den ersten Akt des Albums ein. Julian, das lyrische Ich (und Fabers bürgerlicher Vorname), besingt seine Ängste und sein Leid und lässt die Welt wenig rosig aussehen mit Texten wie “Das Leben ist eine Phase und der Rest ist die Hölle” (in Du kriegst mich nicht zurück) oder Liebeskummer auf Ayurveda. Dabei lässt sich sich der Schweizer natürlich auch nicht provokante Songs wie Sie ist wieder in der Stadt oder Leon nehmen, die wir sie vor allem aus seinen früheren Werken, wie I fucking love my life von 2019, kennen. Musikalisch treffen Balkan-Beats und orientalische Einflüsse auf Schweizer-Deutschen Folkpop und Italo-Western, die sich mit immer häufigen elektronischen Synths abwechseln und der neuen Zusammenarbeit mit dem Produzenten Thomas Azier zuzuschreiben wären. So abwechslungsreich und komplex das Album erscheint, umso schlüssiger ist es in sich selbst.

Ihr habt meinen Segen Pt. 2 leitet den zweiten Teil der Platte ein, die übrigens inhaltlich direkt Bezug auf die oben genannte Vorgänger-Platte nimmt. Die unheilvolle Geschichte zwischen Lisa und Julian nimmt ihren Lauf, wobei Fabers Talent als Cantautore und Komponist hier vollends zur Geltung kommt. Gleich vier Songs auf der Platte widmet er seiner italienischen Zweit-Muttersprache, darunter Anima ribelle oder den Abschlusssong Pirdutu cori zusammen mit seinem Vater Pippo Pollina, ein “sizilianisch-schweizerdeutsches Requiem” laut Fabers eigenen Worten und eine Liebeserklärung an das Land voller Poesie und Dolce Vita. Ein musikalischer Höhepunkt — und vorweggenommenes Ende — ist sicherlich das Titelstück Addio selbst, welches zum Ende hin in den dramatischen und sakralen Choral “Doch wenn ich hör’ wie ihr leidet / wenn ich hör wie ihr klagt” aufgeht.

Faber führt Eigenregie in seinem persönlichen Trauerspiel. Der Hang zur dramatisch-egozentrischen Erzählung findet sich parallel zu seiner Musik demnach auch in dem gleichnamigen Kurzfilm Addio oder die unabwendbare Tragödie der Arroganz wieder, welcher in vier Akten (Videos) veröffentlicht wurde und in dem der Sänger die Personifizierung seiner Sünden (Arroganz, Eifersucht und Depression) selbst in der Hauptrolle übernimmt. Eine nicht nur künstlerisch-philosophische Meisterleistung, sondern auch ein mediales Gegenangebot in Zeiten von TikTok & Co, wo Aufmerksamkeitsspannen und aufwändige Produktionen immer kürzer treten. Ob es dann für den Protagonisten doch noch ein Happy End gibt, bleibt allerdings offen. Wir warten gespannt auf die Fortsetzung…