Von Liebe aus der Ferne handelt das neue Album der aus der Ukraine stammenden Saxofonistin Asya Fateyeva To The Muse. Dabei greift sie weit zurück, unter anderem auf die Musik der Troubadoure. Fateyeva und ihren Mitmusikern Matthias Loibner (Drehleier), Bo Wiget (Cello) und Emil Kuyumcuyan (Vibrafon, Darbuka) geht es nicht um eine exakte Reproduktion der Musik der Troubadoure, sondern eher um eine Inspiration, die ermuntert zu freien Arrangements. Außerdem enthält das Album Arrangements von Werken von Debussy, Henri Tomaso und Paule Maurice’ Tableaux de Provence mit dem Saarländischen Staatsorchester. Wir treffen uns zum Zoom-Call, Asya Fateyeva spricht perfektes Deutsch und sprudelt so schnell, dass man verdammt aufpassen muss, um ihr zu folgen.
RONDO: Wie sind Sie auf das Saxofon gestoßen, das ist ja kein typisches Anfänger-Instrument?
Asya Fateyeva: Reiner Zufall! Ich habe mich interessiert für klassische Musik und meine Eltern haben das stark unterstützt, aber ganz klassisch mit Klavierunterricht. Ich habe es bis zu Beethoven-Sonaten gebracht, da war ich neun Jahre alt. Dann kam das Saxofon zu uns nach Hause, denn mein Vater, ein ehemaliger Fußballspieler, wollte das unbedingt lernen.
Und dann haben Sie es Ihrem Vater weggenommen?
Es war ein Tenor-Saxofon, und ich hab’s ausprobiert, ich war fast zehn Jahre alt, es war sehr groß, aber ich fand’s super! Dass man direkten Kontakt hat mit dem Klang, hat mich begeistert. Und es hat sofort super funktioniert. Und dann haben wir überlegt, beides parallel zu machen, aber dann ging’s rasant schnell mit dem Saxofon, sodass wir umgezogen sind nach Simferopol, da gab es eine gute, besser gesagt die einzige Lehrerin auf der Krim für Saxofon. Mein Musikgeschmack hat sich durch den Wechsel zum Saxofon aber nicht verändert, er ist klassisch geblieben.
Das versteht sicher nicht jeder, das Saxofon – und Klassik?
Allerdings, ich ernte immer noch verwunderte Blicke! Das hat etwas zu tun mit dem Image des Instruments. Aber das Saxofon ist für mich nur ein Medium, es kann alles!
Sie sind sozusagen die Botschafterin für dieses Instrument im Klassik-Kosmos?
Danke, aber ich habe das gar nicht erfunden, sondern Adolphe Sax, der das Instrument ja für das klassische Sinfonieorchester konzipiert hat, und das war lange vor dem Jazz. Er hatte die Vision, und ich will zeigen, dass es noch so viel mehr anderes kann!
Wenn man das Album hört, klingt das Instrument manchmal wie Flöte oder Oboe, auch wie Klarinette. Das lässt den Jazz-Charakter vergessen, den man als typisch für das Saxofon zu kennen glaubte.
“Ja, man hat nur diesen einen jazzig-poppigen Klang im Ohr und das ist nicht fair. Ich vergleiche das gerne mit Gesang: Es gibt Jazzgesang und es gibt Operngesang und beim Saxofon denkt man nur an Jazz-Ballade und denkt, das andere wird nicht gehen und das ist nicht fair. Denn Saxofon kann alles spielen, genauso wie Trompete und Klavier.
Aber Sie brauchen viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Stücke, die für andere Instrumente komponiert wurden, mit Saxofon klingen?
Es kommt darauf an, wie man’s spielt, und wie man es kompatibel macht mit der Musik. Mein erster Gedanke, wenn ich nach neuer Musik für das Saxofon suche, ist immer: womit möchte ich mich beschäftigen? Es ist eine fast egoistische Frage: Womit möchte ich leben? Welche Musik reizt mich? Welche Epochen möchte ich entdecken? Welche Schwerpunkte möchte ich setzen? Es gibt ja einen unglaublichen Reichtum an Musik und man lernt so viel beim Suchen.
Wie kamen Sie dabei auf die Musik der Troubadoure?
Durch meinen Wunsch, die Zeit vor Bach kennenzulernen. Was man im Studium überhaupt nicht lernt! Ich hatte diese Musik nie gehört! Es ist normal, dass man nicht alles schafft im Studium, und deshalb braucht man als Künstlerin ein Leben lang, dazu zu lernen. Aber das hält mich frisch!
Haben Sie musikalische Vorbilder?
Ja natürlich, ganz viele, in jedem Bereich. Beim Saxofon ist es Sergio Azzolini, ich habe ihn eingeladen zum Schleswig-Holstein Musik Festival, denn ich bewundere seine musikalische Persönlichkeit, wie er gestaltet, so frisch und besonders. Und er hat zugesagt! Das war mein Traum, mit ihm zu spielen, er lebt die Musik.
Und wie hat sich das Ensemble für das Album zusammengefunden?
Diese Konstellation ist einmalig, aber am Beginn stand die bereits aufgenommene Provence-Suite, die hatte ich im Kopf. Es sollte dazu passen, den Schlagzeuger kannte ich bereits, den Drehleierspieler aber noch nicht. Ich bin wirklich überzeugt von der Besetzung, die Verbindung ist einmalig mit dem Vibrafon.
Wie viel Improvisation hören wir?
Sehr viel, unsere Troubadour-Stücke sind nur mittelalterlich inspiriert, die Musik ist ja auch nur bruchstückhaft überliefert, da ist vieles der Fantasie überlassen, es gibt viele Lücken, die wir überbrücken und interpretieren. Das ist das, was mich an solchen Projekten inspiriert, das hält am Leben.
Wie lange habt Ihr vorher geprobt, man muss sich ja gut kennen, um zu improvisieren?
Wir freuen uns auf ein langes Leben und viele Konzerte mit diesem Programm, denn wir haben uns nur im Studio gesehen, nur einen Tag vor der Aufnahme. Wir haben einander intensiv zugehört, es gab kein Konzert davor!
Dann ist das Album erst der Anfang dieses Projekts?
Genau! Es ist verrückt, jemandem diese Besetzung anzubieten, aber mit dem Album verstehen die Veranstalter, was wir meinen.
Das kann man sich vorstellen: Saxofon, Drehleier, Cello und Vibrafon, da verdrehen Veranstalter sicher die Augen?
Mit dem Saxofon bin ich das gewöhnt …
Wie lange hatten Sie Zeit, um Ihre Residenz beim SHMF vorzubereiten?
Zwei Jahre, aber das war nicht ausreichend für eine Uraufführung von Erkki-Sven Tüür, das wird erst 2026 präsentiert, aber alles andere hat gepasst.
Hatten Sie inhaltliche Vorgaben?
Nein, das war eine der besten Erfahrungen meines Lebens: Ich hatte Carte blanche! Mir wurde absolutes Vertrauen entgegengebracht, ich bin sehr dankbar. Wir haben fast alles verwirklicht, was ich mir ausgedacht habe.
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