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Albumbesprechung: Nala Sinephro — “Endlessness”

Die Harfenistin hat ein zweites Soloalbum veröffentlicht, mit dem sie auf der neuen Welle des britischen Jazz reitet.

Nala Sinephro © Kris Tofjan

Zwei Jahre nach ihrem Durchbruch mit Space 1-8 - einem verblüffend poetischen Debütalbum, das das mystisch-lyrische Erbe des Spiritual Jazz der Siebzigerjahre in das Prisma einer watteweichen und gemischten elektronischen Musik umwandelt, die in ihren Stimmungen und Klängen hyperzeitgenössisch ist - beweist die junge belgische Harfenistin und Komponistin karibischer Herkunft Nala Sinephro all ihre Talente als Klangarchitektin, indem sie mit Endlessness ein zweites, noch faszinierenderes und meisterhaftes Werk schreibt. Sinephro, die seit ihrem Umzug nach London im Jahr 2017 sehr aktiv in der jungen britischen Jazzszene ist, hat sich hier wie in Space 1-8 mit einem Nebel von talentierten Musikern und Musikerinnen aus diesem großen Pool umgeben (James Molisson und Nubya Garcia an den Saxofonen, Sheila Maurice-Grey von der Band Kokoroko an der Trompete, Lyle Barton am Klavier, Nactyet Wakili (Eddie Hick) oder Morgan Simpson am Schlagzeug) und bereicherte die Palette der Klangfarben durch ein 21-köpfiges Streichorchester unter der Leitung von Robert Ames.

Die Harfe und der modulare Synthesizer von Nala Sinephro, die dieses hybride Material mit einer wahrhaft alchemistischen Wissenschaft der Klangkombinationen arrangieren, entfalten in dieser langen, 45-minütigen Suite – unterteilt in zehn Teile (Continuum 1-10), die durch virtuose Überblendungen miteinander verbunden sind – einen weiten kinematischen Teppich mit fließenden und bewegten Gefügen, die abwechselnd abstrakt und sinnlich sind. Die junge Komponistin spielt intensiv mit der Idee der Kontinuität und der Metamorphose und entwickelt an der Grenze zum Ambient eine innovative und genreübergreifende Musik von großer dramatischer Kraft, die sich gleichzeitig sowohl im Instrumentarium als auch in der strukturellen Bedeutung der Improvisation weiterhin auf den Jazz und seine Geschichte bezieht. 

Nala Sinephro © Kris Tofjan

Immer wieder zerreißt sie die hauchdünnen Stoffe ihrer kostbaren Klangschichten mit plötzlichen rhythmischen Störungen und anderen gezügelten Gewaltausbrüchen. Damit führt Nala Sinephro zum ersten Mal eine unerwartete Dunkelheit und Tiefe in ihre märchenhafte, watteweiche Welt ein und eröffnet damit neue Perspektiven für dieses spannende work in progress.