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Album der Woche: Andrew Bird & Madison Cunningham - Cunningham Bird

Der Multiinstrumentalist und die Folkerin bieten eine wunderbare Interpretation des einzigen und in Vergessenheit geratenen Albums des Duos Stevie Nicks und Lindsey Buckingham, rund vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung.

Madison Cunningham Andrew Bird 2024 © Josh Wool 1

Es ist jenes Album, durch das Mick Fleetwood auf das Duo aufmerksam wurde: Zwar war Buckhingham Nicks bei seiner Veröffentlichung 1973 weit davon entfernt, den Erfolg zu haben, den sich das Paar erhofft hatte, aber es öffnete ihnen die Türen zu Fleetwood Mac. Als der Produzent Keith Olsen in den Sound City Studios, wo Stevie Nicks und Lindsey Buckingham einige Monate zuvor aufgenommen hatten, Mick Fleetwood die folkigen Klänge von Frozen Love vorspielte, schmolz dieser dahin. Er, der gerade die nächste Platte von Fleetwood Mac im Blick hatte und kurz zuvor von England nach Kalifornien gekommen war, um nach neuer Inspiration zu suchen, bat Olsen, ihn mit dem Duo in Kontakt zu bringen. Der Rest ist bekannt: Fleetwood Mac änderten ihre Formel und schufen einen Rekord nach dem anderen.

Madison Cunningham & Andrew Bird 2024 © Josh Wool

“Es ist schwierig, diese Platte zu hören, ohne sie sich als Vorgeschichte zur Legende von Fleetwood Mac vorzustellen”, sagt Andrew Bird. “Die LP ist kaum mehr aufzufinden. Sie ist als physisches Album vergriffen und bei keinem Streaming-Dienst erhältlich. Für mich ist der beste Grund, einen anderen Künstler zu covern, wenn man glaubt, es besser machen zu können als er. Dieses Album steht für Exzess und Selbstvertrauen und daher erschien es nur logisch, diese Geisteshaltung auch selbst zu verkörpern. Diese unglaubliche Lust, ein ikonisches und unterschätztes Juwel in Angriff zu nehmen.”

Auf dem Original spürt man beinahe Nicks und Buckinghams Verzweiflung. Die LP wurde auf die Schnelle aufgenommen, nachdem das Duo sich jahrelang abgerackert hatte. Nach der Auflösung von Fritz, der Psychedelic-Band, der sie angehörten und die immerhin als Vorgruppe von Jefferson Airplane und Janis Joplin spielte, zog das Tandem von San Francisco nach Los Angeles, um dort nach eigenen Erfolgen zu suchen. Auf ihrem Abenteuer nahmen sie ihr riesiges Ampex-Vierbandgerät mit, um zwischen den Vorlesungen an der Universität und den unzähligen Gelegenheitsjobs Demos aufzunehmen. Die Monate vergingen, Nicks erlitt einen Zusammenbruch, bis sie schließlich von Polydor unter Vertrag genommen wurden. Im Sommer ‘73 schlossen sie sich mit einer Handvoll Musikern und dem Tontechniker Keith Olsen, (bei dem Nicks sogar putzte) in den großen Sound City Studios ein. Crying In The Night war der erste Song, der auf dem brandneuen Neve-Mischpult aufgenommen wurde, das der Toningenieur gerade zuvor gekauft hatte.

Es ist unmöglich, Fleetwood Mac in dieser von Liebe durchzogenen, wegweisenden Platte nicht zu hören, auf der Nicks’ kratzige Stimme glüht und Buckinghams folkige Gitarrenumschlingungen und Crescendos Wunder bewirken. Fleetwood Mac, die erste Platte der Band in ihrer neuen Form, nahm sogar die Ballade Crystal daraus auf.

Es ist schwieriger, die Ähnlichkeiten auf dieser Coverversion Cunningham Bird herauszuhören, da der Ansatz relativ weit entfernt vom ursprünglichen ist. Andrew Birds Handschrift mit den Arrangements aus Violine - seinem Lieblingsinstrument - und unheimlichen Streichern ist das genaue Gegenteil. “Da wir das Album nicht kannten, aber von seiner Seltenheit begeistert waren, beschlossen wir, es auf unsere Weise von Grund auf neu zu interpretieren”, erklärt Cunningham. Der Klangraum ist manchmal karg (Crystal), die E-Gitarre wird zurückgestellt, Schlagzeug und Synthesizer, darunter ein Wurlitzer, nehmen mehr Raum ein. Der digital aufgenommene Sound ist de facto auch kühler und sauberer. Vor allem aber heben sich Madison Cunninghams klare, agile und makellose Stimme und Andrew Birds schlichterer Gesang deutlich von dem rohen und leidenschaftlichen Tandem Buckhingham Nicks ab.

Das Duo Cunningham Bird ist besonnener und zum Zeitpunkt der Aufnahme auch routinierter. Andrew Bird und Madison Cunningham kennen sich in- und auswendig und können auf eine jahrelange Karriere zurückblicken. Die Songwriterin, die für Revealer (2022) einen Grammy für das beste Folk-Album erhielt, war mit ihrem amerikanischen Kollegen bereits auf My Finest Work Yet (2019), Inside Problems (2022) und sogar auf ihrer Weihnachts-EP Hark! aus dem Jahr 2023 zu hören. Vielleicht bietet dieses Coveralbum die Gelegenheit, das legendäre und originale Buckhingham Nicks endlich wieder zu veröffentlichen. Denn obwohl Polydor damals den Fehler machte, das Duo Lindsey Buckingham und Stevie Nicks aus dem Katalog zu streichen, besitzt dieses die Aufnahmerechte und hat bis heute nichts damit gemacht.