Lange Zeit galt Faurés Musik als zu “französisch”, um außerhalb der Landesgrenzen gespielt zu werden, doch ist dieses Vorurteil heute dank der vielen Musiker, die seine Musik in die Welt hinausgetragen haben, widerlegt. Zum 100. Todestag von Fauré, der 2024 begangen wird, kann eine überaus erfreuliche diskographische Bilanz seines Werks gezogen werden.
Fauré wurde weit von Paris entfernt im ländlichen Département Ariège im Südwesten Frankreichs geboren. In seiner Jugend hörte er in der Kirche den Cantus planus, der später seine musikalischen Phrasen durchdringen und ihnen ihre charakteristische Geschmeidigkeit verleihen sollte. Sein erster Dorflehrer brachte ihm die alten Meister Josquin des Prés, Janequin und Palestrina nahe, die ihn ebenfalls sehr inspirierten. Während seiner Ausbildung in Paris wurde er Schüler und später enger Freund von Camille Saint-Saëns wurde, der ihn zu weniger Bescheidenheit und mehr Ehrgeiz anspornte. Fauré fand unter den Bohème-Künstlern des späten 19. Jahrhunderts in Paris, damals eines der wichtigsten Zentren der Kunstwelt, schnell Freunde. Der junge Musiker besuchte die angesagtesten Salons, wo er Ermutigung fand und erste Aufträge erhielt. In diesem Milieu begann er, für die beiden Töchter von Pauline Viardot, die ausgezeichnete Sopranistinnen waren, seine ersten Werke zu komponieren.
Lieder
Die Singstimme spielt in Faurés Werk eine große Rolle, angefangen bei seinem umfangreichen Korpus an Liedern, der fast seine gesamte Musik zusammenfasst. Sie sind sehr schwer zu singen, nicht so sehr aus technischer Sicht, sondern aus stilistischen Gründen, denn der Interpret muss eine ausgewogene Mischung aus Ausdruck und Einfachheit finden, damit sie nicht zu kitschig oder preziös wirken. Faurés Lieder verherrlichen fast alle die Liebe zur Frau und zur Weiblichkeit. Sie umfassen sowohl Einzelkompositionen als auch mehrere wunderschöne große Zyklen wie die Mélodies de Venise, La Bonne Chanson, in dem das Klavier ebenso wichtig ist wie der Gesang, La Chanson d’Ève und L’Horizon chimérique.
In diesem Repertoire haben sich viele Interpreten hervorgetan, allen voran der Schweizer Bariton Charles Panzéra, der am Pariser Konservatorium studierte, das damals von Gabriel Fauré geleitet wurde. Fauré bewunderte das Bariton-Martin-Timbre des jungen Mannes und widmete ihm seinen Zyklus L’Horizon chimérique, den Panzéra 1922 an der Société Nationale de Musique uraufführte. Der 1949 an jenem Konservatorium zum Professor ernannte Charles Panzéra hatte großen Einfluss auf die französische Gesangskunst und auf viele Studierende, wie etwa den jungen Roland Barthes. Von Panzéra sind uns zahlreiche Aufnahmen aus den 1950er Jahren erhalten geblieben. Sie zeugen von einer Kunst der Interpretation des französischen Liedes, die heute noch aktuell ist.
Panzéras Nachfolge traten Sänger wie Gérard Souzay, Hugues Cuenod, Camille Maurane und Bernard Kruysen an. Unter den Sängerinnen ist vor allem die große Kunst von Irma Kolassi oder Suzanne Danco zu erwähnen, die mit einem ihrer langjährigen Partner, dem italienischen Pianisten Guido Agosti, ausgezeichnete Aufnahmen hinterließ. Auch wenn der Fortbestand des französischen Kunstliedes eine Zeitlang in Frage gestellt schien, kehrt es heute mit aller Kraft zurück, insbesondere dank des Tenors Cyrille Dubois, dem es zusammen mit dem hervorragenden Tristan Raës gelang, alle Lieder Faurés aufzunehmen. Aber er ist nicht der Einzige, der heute Fauré singt. Denken wir nur an die großartigen Leistungen von Stéphane Degout, Marc Mauillon, Frederica von Stade, Nathalie Stutzmann, Véronique Gens, um nur einige herausragende Namen zu nennen.On a longtemps pensé que la musique de Fauré était trop « française » pour s’exporter hors de ses frontières nationales, mais ce préjugé est aujourd’hui battu en brèche grâce aux nombreux musiciens qui se sont emparés d’elle pour la faire rayonner dans le monde entier. Commémoré en 2024, le centenaire de la mort de Fauré permet de dresser un bilan discographique très réjouissant de son œuvre.
Vokalmusik
Wenn wir an Fauré denken, kommt uns natürlich sofort sein berühmtes Requiem in den Sinn. Weit entfernt von den Qualen und Ängsten der Requiems von Mozart, Berlioz oder Verdi vermittelt Faurés Requiem, das der Komponist selbst als “Wiegenlied des Todes” bezeichnete, eher ein Gefühl der Gelassenheit als der Angst vor dem Tod. Seine Entstehung war lang und kompliziert. Zunächst stellte Fauré einzelne Stücke aus verschiedenen Epochen zusammen, die nichts miteinander zu tun hatten, und führte sie 1888 in der Pariser Kirche La Madeleine, in der er Titularorganist war, mit Orgelbegleitung auf. Anlässlich der Feier zum 100. Jahrestag der Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Januar 1893 erstellte der Komponist dann eine Version für Kammerorchester (ohne Violinen). Nachdem sein Verleger das Requiem als zu schwach instrumentiert ablehnte, wurde es für Sinfonieorchester und für Konzerte orchestriert, wobei nicht ganz klar ist, wer der Urheber dieser von Fauré gebilligten Fassung war. Das Requiem trat danach, nicht zuletzt dank Nadia Boulanger, Faurés Stellvertreterin in der Madeleine-Kirche, die es auf Schallplatte aufnahm und in New York konzertant dirigierte, einen weltweiten Siegeszug an.
Während es ausgezeichnete Aufnahmen der sinfonischen Version gibt, insbesondere die erste Einspielung von Michel Corboz (1972) mit ihrer bemerkenswerten Innigkeit, hat Philippe Herreweghe 1988 die sogenannte “Originalversion” von 1893 wieder aufgeführt, die von Jean-Michel Nectoux, Musikwissenschaftler und Fauré-Spezialist, herausgegeben wurde. Die schlanke Instrumentierung und die subtile, himmlische Vision des belgischen Dirigenten sollten Sie unbedingt kennenlernen. Neben dem Requiem hat Fauré zwei weitere Chorwerke geschrieben: Messe des pêcheurs de Villerville (früher Messe basse genannt), die er gemeinsam mit seinem Freund André Messager geschrieben hat und die von bewegender Einfachheit ist, und Cantique de Jean Racine, einer der ersten Kompositionen des 19-jährigen Studenten, der bereits den Keim seiner zukünftigen Melodik enthält.
Penelope
Nachdem sich Gabriel Fauré erfolgreich an der Komposition von Bühnenmusik, Pelléas et Mélisande, Caligula, Shylock, Prométhée, versucht hatte, begann er im Auftrag der Oper von Monte Carlo mit der Komposition einer Oper. Er hatte nach langer Suche bei René Fauchois ein geeignetes Libretto gefunden und arbeitete fünf Jahre lang an Pénélope, da er aufgrund seiner Aufgaben als Leiter des Pariser Konservatoriums nur nachts und während der Sommermonate, die er regelmäßig in der französischen Schweiz und später in Annecy verbrachte, zum Komponieren kam. Dieses wahre Meisterstück hatte zunächst nur mäßigen Erfolg und wurde selten aufgeführt. Erst eine Konzertversion mit der berühmten Régine Crespin im Jahr 1956 verschaffte dem für die französische Oper des 20. Jahrhunderts so wichtigen Werk die verdiente Aufmerksamkeit. In den folgenden Jahren war Pénélope überwiegend in konzertanten Aufführungen zu hören bis das Werk 2015 an der Opéra du Rhin in einer Inszenierung von Olivier Py und unter der musikalischen Leitung von Patrick Davin szenisch aufgeführt wurde. Von dieser Oper existieren nur wenige Aufnahmen.
Klavierwerke
Faurés Klaviermusik ist von einem reinen, heiteren Klassizismus. Sie befasst sich in einer in der Vergangenheit wurzelnden, oft sehr innovativen Schreibweise meist mit dem Innenleben. Die Titel von Faurés Klavierwerken verzichten auf jegliche literarische, beschreibende oder anekdotische Referenz und bringen in Anlehnung an seine verehrten Lehrer Mendelssohn und Chopin, deren Musik Ende des 19. Jahrhunderts in den Pariser Salons noch so lebendig war, ausschließlich die reine musikalische Form zum Ausdruck: Nocturne, Barcarolle, Impromptu, Romance.
Lange verschleierte der Charme von Faurés Klaviermusik die wahre Natur dieser sehr originellen Musik mit ihrer äußerst vielfältigen Harmonik, die geschickt zwischen neu interpretierten alten Modi und gewagten Modulationen navigiert, und zwar in einer dauerhaften Freiheit bis hin zu seinen letzten Werken, die über das Alter und den Tod zu meditieren scheinen. Diese Musik ist mehr für den Geist als für die Finger gemacht und stellt hohe Ansprüche an den Interpreten, der sich zwischen einer Ästhetik, die die Schönheit der musikalischen Phrase kultiviert, und der sich oft dahinter verbergenden Tiefe einen Weg bahnen muss.
Faurés Musik war bei Musikern immer beliebt, zunächst in Frankreich und später auf der ganzen Welt. Sie wurde von Anfang an gerne aufgenommen, und es entstanden in regelmäßigen Abständen verschiedenste Gesamtausgaben. Jean Hubeau, Jean-Philippe Collard und Jean-Claude Pennetier sind nach wie vor hinsichtlich Stil und Ausdruck wichtige Vorbilder. Andere Pianisten haben ihre Affinität zu Fauré in Einzelkompositionen dokumentiert, wie etwa Jean-Marc Luisada (Nocturnes), Philippe Cassard (Ballade und Fantasie für Klavier und Orchester), Michel Dalberto (verschiedene Werke), François Dumont (Nocturnes ), Angela Hewitt (Thème et variations), Aline Piboule (Nocturnes et Barcarolles), Théo Fouchenneret (Nocturnes) oder Marc-André Hamelin (Nocturnes et Barcarolles).
Zu Faurés 100. Todestag sind zwei neue Gesamteinspielungen erschienen: Lucas Debargue bietet auf dem berühmten Opus 102-Klavier (102 Tasten statt der üblichen 88), das von Stephen Paulello entworfen und gebaut wurde, eine streng chronologische “Reise durch das Werk von Gabriel Fauré”. Laurent Wagschals Gesamteinspielung im Rahmen der monumentalen Jubiläumsausgabe von Calliope schließt Faurés Kammermusik mit ein.D’un classicisme pur et serein, la musique pour piano de Fauré explore plutôt la sphère intime dans une écriture souvent inventive, prenant ses racines dans le passé. Délaissant tout argument littéraire, descriptif ou anecdotique, les titres du piano fauréen expriment uniquement des formes musicales pures : Nocturnes, Barcarolles, Impromptus, Romances, comme pour faire écho à ses maîtres vénérés, Mendelssohn et Chopin, dont la musique est encore si vivante à la fin du XIXe siècle dans les salons parisiens.
Kammermusik
Von Gabriel Faurés Kammermusik, die eine beeindruckende Sammlung von Meisterwerken beinhaltet – die wunderbaren Klavierquartette und -quintette, die Violin- und Cellosonaten und die beiden bewegenden letzten Werke, das Klaviertrio und das Streichquartett, neben weiteren kürzeren Stücken für Violine, Cello oder Flöte – gibt es zahlreiche Aufnahmen.
Es ist wohl der am leichtesten zugängliche Teil von Faurés Musik und wahrscheinlich auch das Ausgereifteste und Originellste im Katalog des französischen Komponisten. Kammermusik interessierte Fauré schon seit seinen Anfängen im Jahr 1878, als er die Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 komponierte und sie selbst auf der Weltausstellung in Paris uraufführte. Sie wurde von den Kritikern als Meisterstück gefeiert und ebnete, zehn Jahre bevor César Franck seine berühmte Sonate in A-Dur komponierte, den Weg für eine ganze Reihe französischer Kompositionen mit der gleichen Besetzung. Fauré schrieb bis zu seinem letzten Atemzug Kammermusik. Er war fast 80 Jahre alt, als er das Klaviertrio mit seinem frischen, jugendlichen Esprit komponierte – neben dem Trio seines Schülers Maurice Ravel eines der glänzendsten Werke dieser Art in Frankreich.
Diese reiche Schaffensphase wurde mit seinem einzigen Streichquartett in e-Moll, op. 121 gekrönt, das er am Abend seines langen Lebens, drei Monate vor seinem friedlichen Tod in Annecy vollendete, und das er vor der Veröffentlichung nicht mehr überarbeiten konnte. Als bescheidener und demütiger Mensch hatte er sein Leben lang gezögert, sich an ein Genre zu wagen, das Beethoven zu solch rarer Vollkommenheit geführt hatte, dass viele ihm nachfolgende Komponisten eingeschüchtert waren. Während der Komposition schrieb Fauré an seine Frau: “Du kannst Dir vorstellen, wie ich mich fürchte”. “Ich habe mit niemandem darüber gesprochen.” Die Uraufführung dieses Werkes fand nach seinem Tod am Pariser Konservatorium in einer Atmosphäre voller Respekt und Bewunderung statt.
Es gibt unzählige gute Aufnahmen von Faurés Kammermusik. Daher ist es eine echte Qual, für diese Präsentation nur einige auswählen zu dürfen und dabei möglicherweise ungerecht zu sein. Unter den Gesamteinspielungen sind die sehr homogene und schon länger bestehende mit dem Pianisten Jean-Philippe Collard sowie die vor Kurzem unter der Ägide von Eric Le Sage mit hervorragenden aktuellen französischen Musikern erschienene Aufnahme erwähnenswert. Andere Verlage haben im Jahr 2024 Anthologien veröffentlicht, die unter Verwendung ihrer Katalogbestände konzipiert wurden.
Orchesterwerke
Es wäre nicht ganz zutreffend, in Verbindung mit Fauré von sinfonischer Musik zu sprechen, denn er war weder ein genialer Orchestrator wie seine Landsleute Berlioz oder Ravel noch ein leidenschaftlicher Anhänger der großen sinfonischen Form. Orchestermusik ist in seinem Katalog selten zu finden und umfasst vor allem die Suiten Pelléas et Mélisande und Masques et Bergamasques, zwei Werke, die aus Mangel an Zeit und vielleicht auch an echtem Interesse von anderen orchestriert wurden. Dazu kommen noch die schöne Pavane op. 50 mit ihrem bezaubernden Hauptthema und die Bühnenmusiken für Caligula, Prometheus und Shylock.
Einige Werke sind heute noch nicht veröffentlicht, wie die Orchestersuite op. 20 (von der manchmal das Allegro symphonique gespielt wird), ein Violinkonzert oder auch Jules César, eine Orchestersuite nach der Musik von Caligula. Michel Plasson hat in Toulouse eine fast vollständige Aufnahme der Orchesterwerke eingespielt. Vor ihm nahm Ernest Ansermet an der Spitze seines Orchestre de la Suisse Romande in Genf nicht nur das Requiem auf (mit Suzanne Danco und Gérard Souzay), sondern auch eine Anthologie, die lange Zeit maßgeblich war und noch immer erhältlich ist. Andere Einzelausgaben bieten oft die Suite Pelléas et Mélisande, die Fauré als Bühnenmusik zur Aufführung von Maeterlincks Stück in London geschrieben hatte.
Abschließend können wir die reichhaltige Diskographie von Faurés Werk nur begrüßen. Seine Musik überdauert Moden und Hörgewohnheiten seit mehr als einem Jahrhundert und erfreut sich eines konstanten und ständig wachsenden Interesses. Sie wendet sich in erster Linie mit einer einfachen und natürlichen Lyrik, die alle Wechselbäder der Gefühle zum Ausdruck bringt, an unser Empfinden.